Die weißen Flecken auf der Wifi-Landkarte werden kleiner. Mit der zunehmenden Vernetzung von Flugzeugen und besseren P2P-Lösungen ist die Videokonferenz in der Luft keine Theorie mehr. Den Beweis lieferte – rein zufällig – Sean Parkers neuer Videochat-Service Airtime.
Anfang Juni haben die beiden Napster-Gründer Sean Parker und Shawn Fanning ihre Videochat-Service Airtime vorgestellt. Airtime ermöglicht eine Videoverbindung zu Facebook-Kontakten – entweder gezielt oder zufällig. Die zufällige Auswahl erfolgt allerdings komfortabler als bei Chatroulette, und eine integrierte Gesichtserkennung soll die Präsentation von Körperteilen unterhalb der Gürtellinie verhindern. Fazit: Mit einer ordentlichen Internetverbindung ist Airtime ein guter Zeitvertreib.
Das Interessante an solchen Consumer-Lösungen ist ja immer die Unbefangenheit und die Experimentierfreude, mit der die Nutzer an sie herangehen. Und so passierte es, dass Engadget-Redakteur Darren Murph Airtime auf seinem Weg nach Los Angeles ausprobierte, und zwar im Flugzeug. „I’m actually on an airplane“, entgegnete Murph einem völlig erstaunten, zufällig zugespielten und anonymen Chat-Partner.
Man braucht nicht viel Fantasie, um zu begreifen, was dieses Aha-Erlebnis für die Zukunft bedeuten kann: Videokonferenzen von überall zu jedem Punkt auf diesem Planeten.
Kollision der Technologien
In 9.000 Fuß Höhe und mit einer Geschwindigkeit von rund 1.000 Kilometer pro Stunde prallen gerade zwei Trends aufeinander. Komfortable internetbasierte Videokonferenz-Lösungen und Wifi in Flugzeugen. Gerade die zweite Technologie hatte unverständlich lange keine Entwicklung erfahren. Vor allem als Business-Nutzer konnte man sich mittlerweile schon wundern, warum jedes Café drahtlosen Internetzugang anbietet, im Flugzeug aber Funkstille herrscht. Gerade in Fortbewegungsmitteln, die vor Hightech strotzen, schien Wifi ganz unten auf der Ausstattungsliste zu stehen. Die Gründe: zu kompliziert, zu teuer, rechtlich bedenklich und nicht ganz ungefährlich. Das ändert sich zurzeit, wenn auch noch langsam.
Dabei ist die Idee nicht neu. Schon kurz nach der Jahrtausendwende gab es erste Testläufe mit Internet im Flugzeug. 2003 flog eine Boeing 747 der Lufthansa ausgerüstet mit einer ersten sogenannten FlyNet-Version von Frankfurt nach Washington. Die für rund eine halbe Million Dollar eingebaute Connexion-Technik von Boeing ermöglichte über Satellitenanbindung eine Downloadgeschwindigkeit von 20 Megabit pro Sekunde. Das Angebot war aber seiner Zeit voraus und rechnete sich nicht. 2006 herrschte wieder Funkstille bei der Lufthansa.
Trend nicht mehr aufzuhalten
Mittlerweile sind die Kosten für die Umrüstung auf knapp die Hälfte gefallen, so dass immer mehr Airlines ihre Flugzeuge mit Antennen für die Satellitenverbindung aufrüsten. Schwerpunkt des weltweiten Ausbaus liegt auf den Fluglinien für Businesskunden. So können Geschäftsreisende, die viel Zeit im Flugzeug verbringen, diese dann sinnvoll nutzen. Sie profitieren zurzeit enorm von der wachsenden Konkurrenz. Gerade erst hat Air France/KLM angekündigt, ab 2013 zwei Boeing B-777-300 mit Wifi auszustatten. In den USA bietet der Provider GoGo Wifi-Service in der Flugzeugkabine an, und die deutsche Lufthansa hat vor Kurzem den drahtlosen Internetzugang auch für Interkontinentalflüge nach Japan ausgeweitet. Allerdings muss der Service bislang noch beim Überflug von China ausgeschaltet werden.
Obwohl die Surfstunde zurzeit noch rund 11 Euro kostet, ist der Trend nicht mehr aufzuhalten. Nach einer Analyse der US-Beratungsfirma In-Stat, waren Ende 2011 weltweit 1.835 Flugzeuge mit einem drahtlosen Internetzugang für Passagiere ausgestattet. Glaubt man der Studie, sollen es 2015 schon 6.100 Flugzeuge sein.
Parallel werden sich die Videochat-Lösungen weiterentwickeln müssen, um stabile P2P-Verbindungen auch bei schwankenden Bandbreiten leisten zu können. Murph beschreibt die Videoqualität bei seinem Airtime-Erlebnis als etwas ruckelig, aber der Ton war klar. Und es hat ihn schwer beeindruckt, wie zwei völlig Fremde zufällig zusammenfanden, um diese Möglichkeiten zu entdecken.