Um Vorkommnisse im Schweizer Hochspannungsnetz aktuell zu erfassen, nutzt Netzbetreiber Swissgrid ein elektronisches Schichtbuch. Was zuvor noch auf Papier dokumentiert war, liegt heute in einer Web-basierten Lösung digital in der Netzleitstelle „Swissgrid Control“ vor. Nachfragen zu Einträgen und Abstimmungsaufgaben, die den Tagesbetrieb der Leitstelle mitunter störten, gehören damit der Vergangenheit an: Im Shiftconnector sind alle Störfälle und Ereignisse transparent und nachvollziehbar abgelegt, für jeden Berechtigten abrufbar – auch standortübergreifend. Im Swissgrid Control lassen sich interne Reports jetzt standardisiert auf Knopfdruck direkt aus dem Schichtbuch generieren.
Lokal begrenzte Stromnetze oder Kraftwerksanlagen zu überwachen ist eine Sache, ein weitverzweigtes Hochspannungsnetzwerk über die gesamte Schweiz hinweg eine andere. Gegen 30 Netzwerkingenieure und Systemtechniker haben das 6.700 km lange Netz rund um die Uhr im Dreischichtbetrieb jederzeit im Blick. Pro Schicht überwachen die Operatoren an bis zu elf Arbeitsplätzen mit je fünf Monitoren den Netzwerkbetrieb, halten Vorkommnisse fest, melden Störungen an die Anlagenverantwortlichen und greifen wenn möglich selbst ein, weisen die zugeschalteten Kraftwerke an, Regelenergie einzuspeisen oder die Energiezufuhr zu drosseln. Schliesslich muss das Hochspannungsnetz mit seinen 220 bzw. 380 Kilovolt stabil bei 50 Hertz laufen. Innerhalb von Europa ist das Hochspannungsnetz der Schweiz zudem mit 30 Ländernetzen verbunden und tauscht je nach Bedarf Strom aus. „Unsere Aufgabe ist es, die Netzsicherheit in der Schweiz zu überwachen und bei Bedarf Massnahmen einzuleiten, um diese wiederherzustellen“, erläutert Dr. Martin Geidl, Abteilungsleiter Systembetrieb bei Swissgrid. Die Leitstelle „Swissgrid Control“ hat dabei eine wichtige Schlüsselrolle: Hier ist das gesamte, komplexe Hochspannungsnetz mit allen Komponenten abgebildet und wird mittels SCADA und EMS (Energy Management System) überwacht. Rund 25.000 Messdaten ermöglichen täglich tausende Netzsimulationen in Echtzeit durchzuführen.
Papier ist geduldig
Mit der Umsetzung der Strommarktliberalisierung in der Schweiz hat Swissgrid schrittweise neue Aufgaben bekommen. „Wir haben in den zurückliegenden Jahren immer mehr Verantwortung für das Hochspannungsnetz in der Schweiz übernommen und damit einhergehend wurde die Netzüberwachung zunehmend komplexer“, sagt Christian Welti, Projekt- und Studieningenieur bei Swissgrid. Ein Engpass war bis Mai 2012 noch das Schichtbuch in Papierform, in welchem man die Ereignisse handschriftlich notierte und der nächsten Schicht mitteilte. Wer wissen wollte, wie der Betrieb läuft, der musste sich die nötigen Informationen entweder aus dem Leitsystem holen – was aber wegen der Absicherung nicht überall möglich ist – oder er rief in der Leitstelle an und liess sich von den Kollegen erklären, ob Störfälle aufgetreten sind. Unter Umständen hat er seinen Kollegen gerade mitten bei einer Schaltung oder einer Prozedur gestört. „Bei uns sind hochspezialisierte Fachkräfte beschäftigt, da ist es wichtig, Dokumentation und Schreibarbeit möglichst effizient zu gestalten“, sagt Christian Welti. Auch der Abstimmungsaufwand bei der Schichtübergabe war nicht unerheblich, teilweise störten die Nachfragen den Ablauf, und in dieser Zeit hatten die Operatoren ihre Monitore nicht mehr im Blick. „Der Blick aufs Netz ist wichtiger“, so das Credo von Christian Welti. „Ein Papierbuch ist 2013 natürlich nicht mehr angemessen, daher war die Investition in ein digitales Schichtbuch ein logischer Schritt“, ergänzt Dr. Geidl.
Logbuch auf Papier durch Shiftconnector ersetzt
Im Juli 2012 startete Swissgrid mit der Implementierung der Schichtübergabesoftware von eschbachIT und deren Einbindung ins Swissgrid Control. „Auch wenn wir als Netzbetreiber im Energieversorgungsumfeld andere Anforderungen haben wie Industriebetriebe und Anlagenbetreiber, konnten wir doch einen Grossteil bereits im Standard abbilden“, freut sich Projektingenieur Welti. Trotzdem benötigte der Netzbetreiber eine Vielzahl an spezifischen Erfassungsformularen, die eschbachIT zunächst anpassen musste. Die aktuelle Softwareversion Shiftconnector 6.0 hält dafür eigens einen Formulardesigner bereit. Basierend auf der von eschbachIT entwickelten eXtendable Data Concept-Technologie (XDC) lassen sich damit Formulare völlig frei gestalten. Autorisierte Swissgrid-Mitarbeiter konnten so in kurzer Zeit die benötigten Erfassungsformulare auf ihren arbeitsplatzspezifischen Bedarf anpassen, was die Eingabe deutlich erleichtert.
Im Mai 2013 erfolgte die Umstellung auf die neue Version und zwei Monate darauf bereits das erste grössere Update. „Jetzt verwenden wir Shiftconnector 6.0 und sind damit sehr zufrieden“, so Welti. Das elektronische Schichtbuch läuft im Hintergrund auf einem der fünf Arbeitsplatzmonitore mit. Der Operator wechselt per Mausklick das Fenster, sobald ein ungeplantes Vorkommnis wie z. B. ein Blitzeinschlag oder Kurzschluss im Netz im Shiftconnector festgehalten werden muss. Die vordefinierten Eingabeformulare mit Bezeichnungen, Leitungen, Schaltungen und andere Netzwerkkomponenten wie auch definierte Textbausteine für Freitexte haben die Datenerfassung standardisiert und optimiert. Christian Welti: „Die Datenqualität ist heute deutlich höher, da die Erfassungsmasken intuitiv bedienbar sind und exakt den Anforderungen der Operatoren entsprechen. Das hat sofort zu einer grossen Akzeptanz geführt.“
Das Netz im Blick
Aktuelle und zuverlässige Informationen sind das A und O für die Anwender im Netzbetrieb, um zeitnah auf Ausnahmesituationen reagieren zu können. Heute tragen alle Operatoren ihre Ereignisse ins elektronische Schichtbuch ein – von der Verfügbarkeitsplanung, Ausserbetriebsnahmeplanung über die ganzen Energieverkehrabstimmungen bis zum Echtzeitbetrieb, wenn sie Schaltungen vornehmen oder in die Kraftwerkssparte eingreifen müssen.
Ein aussergewöhnliches Ereignis ist erst dann abgeschlossen, sobald es wieder in den ordentlichen Prozess gebracht wurde und alles wieder stabil läuft. Anschliessend kann eine geplante Wartung angestossen werden. „Wir müssen alles zu einem Vorkommnis transparent halten und bei Prüfung der Regulationsbehörde vorlegen – wie wurde im Störfall reagiert, welche Massnahmen eingeleitet, wer war vor Ort, was wurde festgestellt. Im Shiftconnector sind alle Informationen nachvollziehbar dokumentiert“, betont Christian Welti. Auf einen Knopfdruck sieht der Verantwortliche, wer wann was entschieden hat.
Und auch der Bereitschaftsdienst schaut als erstes im Shiftconnector nach, ob alles normal abläuft und das Netz stabil ist. Fordert ein Kollege Unterstützung zu einem Vorfall an, kann er sich ebenfalls mittels Schichtbuch schnell einen Überblick verschaffen: welche Schaltungen sind aktuell, wo liegen Störungen vor, wer hat im Moment Schicht in der Leitstelle.
Eine enorme Erleichterung brachte den Mitarbeitern von Swissgrid Control eine Schnittstelle zum Energiehandelstool: Die Abrufe von Regelenergie, um das Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Erzeugung sowie die Frequenz stabil zu halten, liest der Shiftconnector automatisch ein. Alle Abrufe sind dann im Schichtbuch gleich mit hinterlegt. Der manuelle Erfassungsaufwand hat sich dadurch erheblich reduziert – und zudem ist alles sauber und revisionssicher dokumentiert. „Früher mussten die Mitarbeiter die Abrufe mit ins Papierbuch notieren, aber bei zwanzig Abrufen innert kurzer Zeit war das oft eine Herausforderung“, weiss Christian Welti noch genau. „Mit einer solchen arbeitsentlastenden Schnittstelle war auch schnell die volle Akzeptanz bei den etwa 90 Anwendern erreicht.“
Diese haben nun mehr Zeit, um sich der eigentlichen Netzüberwachung, dem Ereignismanagement und der Entscheidungsfindung zu widmen, zeitraubende manuelle Datenerfassung gehört nun der Vergangenheit an.
Arbeitsfreigabeprozess im Schichtbuch dokumentiert

In der hochmodernen Netzleitstelle Swissgrid Control läuft das Monito-ring des gesamten schweizerischen Hochspannungsnetzes zusammen. Darin eingebunden – das elektronische Schichtbuch.
Hohe Auskunftsbereitschaft
Auch das Berichtswesen hat sich nun vereinfacht und beschleunigt. Es gibt viele Prozesse, die von aussagekräftigen Reports abhängen, etwa beim Eingreifen in die Produktion von Kraftwerken, um die Netzsicherheit zu garantieren. Für die Monatsabrechnung hiess das bis 2012, alles aus dem Papierschichtbuch abzuschreiben. Heute filtert das der Shiftconnector und pickt sich die Ereignisse entsprechend heraus, alles liegt zentral und übersichtlich an einem Ort. So lassen sich selbst individuelle Reports über einen definierten Zeitraum im Netzbetrieb mit wenigen Klicks aufbereiten. Bei Rückfragen zu einem Vorfall kann man über Suchfilter bestimmte Ereignisse selektieren, das spart immens Zeit und erhöht die Auskunftsbereitschaft um ein Vielfaches.
Und der Shiftconnector liefert auf Knopfdruck einen Bericht mit sämtlichen Ereignissen. Die Mitarbeiter im Kontrollzentrum befüllen die Berichte quasi automatisch durch die Erfassung der Vorkommnisse. „Das ist heute sehr praktisch. Morgens habe ich mit zwei Mausklicks den aktuellen Tagesreport übersichtlich mit sämtlichen Ereignissen auf dem Bildschirm und weiss zeitnah, was gelaufen ist“, ist Dr. Geidl begeistert. Mehr noch: jeden Morgen bekommen die Führungskräfte eine E-Mail von einer DIN A4-Seite mit den wichtigsten Vorkommnissen des Vortags aufgelistet, direkt aus dem Schichtbuch. Hierzu ist ein Filter definiert, welche Ereignisse dem entsprechenden Tagesreport angefügt werden.
Wissen, wo die Ereignisdaten liegen
Ebenfalls von grossem Nutzen: Die elektronischen Daten können jetzt sehr effizient analysiert werden. Im Papierbuch war das ein Hin- und Herblättern und die Ergebnisse kaum vergleichbar. Ein Beispiel: über die Filterfunktion lassen sich alle Schaltungen in der Station Mettlen 380 kV suchen und analysieren, oder man ermittelt, wie oft ein Leistungsschalter im Durchschnitt bewegt wird, denn jede Schaltung ist im Schichtbuch dokumentiert. „Zwar nutzen wir diese Analysemöglichkeiten derzeit noch nicht in aller Konsequenz, aber wir planen, hier künftig den Shiftconnector für Analysen über definierte Ereignisse zu verwenden“, prognostiziert der Abteilungsleiter Systembetrieb.
Standortübergreifender Netzwerkbetrieb gesichert
Die Verantwortlichen können jetzt viel leichter an die Informationen zum laufenden Netzbetrieb gelangen, ohne den laufenden Betrieb zu stören und Mitarbeiter im Leitbetrieb zu fragen. Das seitenweise Kopieren aus dem Papierschichtbuch gehört der Vergangenheit an. Und das Fazit von Christian Welti nach einem Jahr: „Wir haben jetzt umfassende Informationen zu den Vorkommnissen zentral und überall abrufbar zur Verfügung. Ohne den Shiftconnector ist die Ereigniserfassung heute kaum noch vorstellbar.“
Gegenwärtig ist Christan Welti dabei, auch andere Stellen im Unternehmen regelmässig mit entsprechenden Informationen aus dem Schichtbuch zu versorgen und bei Bedarf Info-User einzurichten, mit definierten Berichten und Sichten. „So etwas wäre im papierenen Logbuch überhaupt nicht realisierbar gewesen.“ Auch Dr. Geidl kann sich den Netzbetrieb heute nicht mehr ohne ein elektronisches Schichtbuch vorstellen: „Wir werden künftig Betrieb an mehreren Standorten, zum Teil parallel führen, mit einem Papier-Buch geht dies schlichtweg nicht. Mit der digitalen Lösung verfügen die Operatoren an den verschiedenen Standorten jederzeit über die gleichen Informationen.“
Swissgrid ist die Schweizer Netzgesellschaft und verantwortet als Eigentümerin den sicheren und diskriminierungsfreien Betrieb sowie den umweltverträglichen und effizienten Unterhalt, die Erneuerung und den Ausbau des Schweizer Höchstspannungsnetzes. An den Standorten in Frick, Laufenburg und Vevey beschäftigt Swissgrid über 400 qualifizierte Mitarbeitende aus sechzehn Nationen. Als Mitglied des europäischen Verbands der Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E nimmt sie zudem Aufgaben im Bereich der Netzplanung, der Systemführung und der Marktgestaltung im europäischen Stromaustausch wahr. 17 Schweizer Elektrizitätsunternehmen halten gemeinsam das gesamte Aktienkapital von Swissgrid. www.swissgrid.ch
Schichtbuch für die Energiewirtschaft

Transparenz im Hochspannungsnetz: Im elektronischen Schichtbuch sind alle Ereignisse sowie Aufgaben und Weisungen für die Folgeschicht übersichtlich und leicht nachvollziehbar hinterlegt.
Darüber hinaus kann Shiftconnector via Schnittstellen Daten mit bestehenden Systemen austauschen, beispielsweise mit Prozessüberwachungslösungen wie Manufacturing Execution Systemen (MES) oder SCADA (Supervisory Control and Data Acquisition), mit EnergiehandelsLösungen, aber auch mit dem Service- und Instandhaltungsmanagement in SAP for Utilities (SAP IS-U, Industry Solution Utilities) zur Übermittlung von Störungen direkt aus dem Schichtbuch heraus. Meldungen zu Anlagenteilen werden dabei gemäss Kraftwerkskennzeichnungssystem (KKS) zugeordnet, Kessel- und Betriebsbuch nach TRD601 bzw. TRBS geführt, inklusive Checklisten-Management für periodische Sicht- und Funktionsprüfungen (pro Schicht, Tag, Woche, Monat, usw.). Die Daten sind nachvollziehbar und revisionssicher in einer SQL-Datenbank abgelegt und aufgrund der Webtechnologie überall abruf- und einsehbar. Realtime Reports, regelmässige Auswertungen wie auch Schwachstellenanalysen über die erfassten Ereignisse, Stör- und Ausfälle sorgen für ein effizientes und präventives Engpassmanagement und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.
Vor fünf Jahren erstmals vorgestellt, nutzen heute bereits viele Tausend Anwender (Schichtmeister, Anlagenbediener, Produktionsleiter, Kesselfahrer, Netzwerkcontroller, Operatoren, u.a.) die Web-basierte Softwarelösung im täglichen Einsatz – und zwar in sieben Ländern weltweit. Sprachversionen sind derzeit in Deutsch, Englisch, Niederländisch und Chinesisch vorhanden. www.shiftconnector.com
Bilder: Swissgrid
Mehr Informationen erhalten Sie unter www.shiftconnector.com
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