Spätestens seit der Veröffentlichung der ersten Version von ChatGPT Ende 2022 ist Künstliche Intelligenz (KI) in aller Munde. Dabei sind intelligente Software-Anwendungen schon seit vielen Jahren im Einsatz: Lieblings-Playlist zusammenstellen, Spam-Mails aussortieren, die beste Route suchen, Textübersetzung oder Produktempfehlungen auf Basis vorheriger Online-Käufe. Doch wie sieht es mit der Klimabilanz von KI aus? Jens Gröger, Senior Researcher im Bereich Produkte & Stoffströme, erläutert im aktuellen Podcast „Wenden bitte!“ des Öko-Instituts die Vor- und Nachteile von KI, wenn es um den Umweltnutzen geht.
Zum Podcast „Wie nachhaltig ist Künstliche Intelligenz?“ des Öko-Instituts
Effizientere Prozesse versus erhöhter Energiebedarf
In Abgrenzung zum klassischen Computing basiert das Machine Learning auf sehr großen Datenmengen und parallelen Rechenprozessen. Damit geht eine erhöhte Rechenleistung
einher. Aktuell werden ungefähr 1,5 Prozent des deutschen Strombedarfs allein für Rechenzentren genutzt. Dieser Bedarf wird in Zukunft weiter steigen. Denn Computer-Anwendungen werden derzeit mit immer mehr KI-Funktionen ausgestattet. So verbraucht beispielsweise eine Anfrage via ChatGPT dreimal so viel Strom wie eine klassische Suchanfrage. Wenn KI-Funktionen auch in normale Office-Anwendungen, wie Text- und Bildbearbeitungsprogramme, Einzug halten, steigt deren Strombedarf erheblich an. Die Umweltwirkungen treten sowohl beim Training als auch im Betrieb von KI-Systemen auf. Allein das Trainieren von ChatGPT in der Version 3 hat schätzungsweise 500 Tonnen CO2 verursacht, eine einzelne Anfrage fällt mit rund 4,5 Gramm CO2 ins Gewicht.
Demgegenüber steht das Potenzial von KI, technische Prozesse – wie bei Herstellung, Wartung, Nutzung und schließlich Müllsortierung sowie Wiederverwendung von Produkten – zu optimieren, zur Energie- und Ressourceneinsparung beizutragen und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Auch im Bereich der Energiewirtschaft kann KI bei der optimierten Nutzung von Wind- und Sonnenenergie helfen. Doch wiegen die positiven Effekte die Nachteile auf? Diese Fragen sind laut dem Wissenschaftler vielfach noch offen und bedürfen weiterer Forschung einerseits und gesetzlicher Regulierung andererseits.
Umweltauswirkungen von KI messen
Um die Klimabilanz von KI zu bemessen, unterscheiden die Wissenschaftler*innen drei Ebenen:
- Direkte Effekte, die der Digitaltechnik direkt zugeordnet werden können. Darunter fallen die Herstellung sowie Nutzung der Endgeräte, Datenleitungen und Rechenzentren.
- Indirekte Effekte, die mit der Nutzung von digitalen Anwendungen oder KI zusammenhängen: Beim Online-Einkauf sind dies beispielsweise die Verpackung und Anlieferung, bei der Optimierung von Produktionsprozessen ist es der reduzierte Energiebedarf.
- Systemische Effekte, die die Gesellschaft als Ganzes betreffen, wie das veränderte Mobilitätsverhalten durch Car-Sharing-Angebote oder der Wandel der Arbeitswelt. Dazu zählen auch Rebound-Effekte, also Einsparungen an einer Stelle, die mit einem erhöhten Verbrauch an anderer Stelle einhergehen.
Die Umweltwirkungen der direkten Effekte lassen sich am besten berechnen. Indirekte Effekte können anhand von Anwendungsfällen abgeschätzt werden. Systemische Effekte sind jedoch bislang nur schwer quantifizierbar.
Jens Gröger spricht sich für einen ökobilanziellen Ansatz bei der Betrachtung aus: „Bei der Ökobilanz untersuchen wir den gesamten Lebenszyklus eines Produktes, von der Rohstoffgewinnung und Produktion über den Transport und Nutzung bis hin zur Entsorgung. Diese Methodik ist auch auf digitale Anwendungen, wie Software und KI übertragbar.“
Transparenz als Basis
Mit dem Wissen um die Umweltwirkung von digitalen Anwendungen lassen sich dann im zweiten Schritt Reduktionen hinsichtlich des Energieverbrauchs vornehmen. „Bei der Digitaltechnik und der KI können wir die technische Entwicklung nicht einfach laufen lassen“, so Jens Gröger. „Das kann vehement in die falsche Richtung gehen. Eine Technikfolgenabschätzung und darauf basierende Regulation sind unabdingbar. Fehlentwicklungen sollten frühzeitig erkannt werden, bevor sie unkontrollierbar werden.“
Der Wissenschaftler plädiert dafür, zusammen mit jeder digitalen Dienstleistung eine umweltbezogene Produktinformation auszuliefern, exemplarisch in Form eines kleinen Datenpakets mit Angaben zum Energie- und Ressourcenverbrauch sowie den Treibhausgasemissionen. Dann können Nutzende und vor allem auch berichtspflichtige Unternehmen ihren CO2-Fußbdruck und andere Umweltwirkungen tracken, bewerten und entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Bilanz aufsetzen.
Wissen statt Alltagsberatung
Der Podcast „Wenden bitte!“ des Öko-Instituts richtet sich an alle mit politischem und ökologischem Interesse aus Politik, Wissenschaft, Medien, NGOs und Öffentlichkeit. Den Podcast moderieren Mandy Schoßig, Leiterin Öffentlichkeit & Kommunikation, und Hannah Oldenburg, Referentin für digitale Kommunikation & Social Media am Öko-Institut. Rund eine Stunde lang sprechen sie mit einem Experten beziehungsweise einer Expertin aus dem Öko-Institut über anstehende Nachhaltigkeitstransformationen – genug Zeit für die „Langstrecke der Umweltpodcasts“. Die Spezial-Folgen greifen tagesaktuelle politische und gesellschaftliche Themen auf.
Podcast „Wenden bitte!“, Episoden der 4. Staffel
Episode 5 „Wie nachhaltig ist Künstliche Intelligenz?“ mit Jens Gröger, erschienen am 8. August 2024
Episode 3 „Was bringt öffentliche Beteiligung?“ mit Dr. Melanie Mbah, erschienen am 16. Mai 2024
Podcast-Spezial „Genug Strom trotz Atomausstieg?“ mit Hauke Hermann, erschienen am 11. April 2024
Episode 2 „Mehr Tempo bei der Energiewende?“ mit Moritz Vogel, erschienen am 14. März 2024
Alle Staffeln und Episoden des Podcasts auf www.oeko.de/podcast
Der Podcast ist erhältlich auf allen gängigen Podcast-Portalen – etwa bei Apple Podcasts sowie bei Spotify.
Disclaimer:
„Für den oben stehenden Beitrag sowie für das angezeigte Bild- und Tonmaterial ist allein der jeweils angegebene Nutzer verantwortlich. Eine inhaltliche Kontrolle des Beitrags seitens der Seitenbetreiberin erfolgt weder vor noch nach der Veröffentlichung. Die Seitenbetreiberin macht sich den Inhalt insbesondere nicht zu eigen.“