Autor Markus Nöbauer ©InsideAx
Künstliche Intelligenz kann insbesondere bei komplexen Prozessen eine wertvolle Hilfestellung bieten. Anhand eines Prototyps lässt sich darstellen, wie man mittels eines KI-Tools Angebote und Ausschreibungen effizient analysieren und prüfen kann.
Täglich müssen in allen Branchen, vom Handwerk über die Industrie und Fertigung bis hin zu Dienstleistungen und Handel, wichtige Entscheidungen getroffen werden. Die Grundlage hierfür bilden meist Dokumente in Form von Ausschreibungen, Angeboten, technischen Datenblättern oder Verträgen. Ihre gründliche Analyse und der Vergleich kosten viel Zeit und somit Geld. Bei der Prüfung von Dokumenten aller Art kann Künstliche Intelligenz maßgeblich unterstützen. Durch die systematische Analyse aller vorliegenden Informationen kann KI dabei helfen Entscheidungen schneller, fundierter und sicherer zu treffen. KI verarbeitet Dokumente dabei deutlich effizienter als ein menschlicher Mitarbeiter. Die KI kann Daten aufbereiten, Informationen strukturieren, Inhalte vergleichen und Fragen beantworten.
Unterstützung bei komplexen Angebotsprozessen
In größeren Projekten in der Privatwirtschaft sind die Angebotslegung und Verhandlung der Rahmenbedingungen für die Durchführung oft ein komplexer Prozess mit mehreren Abstimmungen zwischen Anbieter und Nachfrager. Gerade wenn mehrere kleinere Anbieter einem großen Nachfrager gegenüberstehen, geraten sie leicht in eine schwächere Verhandlungsposition. Dann kommt es vor, dass der Nachfrager seine Verhandlungsmacht ausnutzt und dem Anbieter besonders nachteilige Bedingungen bezüglich Gewährleistung, Schadenersatz und Konventionalstrafen für Verzögerungen im Projekt aufzwingen will. Die Privatautonomie lässt zwar einen weiten Spielraum, es sind jedoch auch Rechtsnormen und Standards zu berücksichtigen. KI-Agenten können dem Anbieter im Angebotsprozess unterstützen, indem sie besonders nachteilige Formulierungen und Abweichungen von Industrienormen identifizieren.
KI-Agent auf Microsoft Plattform
Die insideAx GmbH hat gemeinsam mit einem österreichischen Kunden aus der Baubranche einen Prototyp entwickelt, der die Vertriebsmitarbeiter in der Angebotsphase unterstützt. Die Aufgabe bestand darin, die Projektverträge und Allgemeinen Geschäftsbedingungen großer Bauträger bereits in der Angebotsphase auf besonders nachteilige Regelungen für unseren Kunden zu überprüfen. Die identifizierten Regelungen wurden anschließend vom Vertrieb mit dem Bauträger nachverhandelt.
Bei der Auswahl verschiedener Large Language Models (LLM) haben wir uns für die KI-Plattform von Microsoft entschieden, um damit einen KI-Agenten zu entwickeln. Das LLM wurde auf die Rolle eines österreichischen Rechtsanwalts mit Spezialisierung auf Baurecht ausgerichtet. Der Agent soll nur Rechtsfragen basierend auf österreichischem und Unionsrecht beantworten und Fragen zu domänenfremden Themen ablehnen. Neben öffentlich zugänglichen Gesetzestexten und Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs wurden auch kostenpflichtige, branchenspezifische Industriestandards (ÖNORM) als zusätzliche Wissensbasis integriert. Wir haben diese Dokumente hinterlegt, damit der Agent sie für die Prüfung der Angebote verwenden kann.
Nachteilige Regelungen identifizieren
Der Kunde nutzt bereits seit längerem Microsoft 365, weshalb wir den KI-Agenten mit Microsoft Teams integriert haben, um den Arbeitsfluss der Vertriebsmitarbeiter zu unterstützen. Die Kommunikation mit dem KI-Agenten erfolgt über den Teams-Chat. Der KI-Agent erhält vom Vertriebsmitarbeiter den Angebotstext und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen als PDF-Dokumente in einem Chat. Im ersten Schritt prüft der Agent die AGB des Bauträgers auf Formulierungen, die für unseren Kunden nachteilig sind. Die identifizierten Passagen werden zusammen mit einer Referenz auf die entsprechende Seite im PDF ausgegeben.
Im zweiten Schritt wird das Angebot geprüft, das zwischen Bauträger und Anbieter verhandelt wird. Der Agent prüft erneut auf besonders nachteilige Formulierungen. Dabei verwendet er auch die zusätzlich hinterlegten Normen, um Abweichungen vom Industriestandard zu identifizieren. In den meisten Fällen betrifft dies Fragen der Gewährleistung und Verzögerungen, die nachteiliger formuliert sind als in der Industrienorm vorgesehen. Diese Passagen werden ebenfalls mit Seitennummer im PDF und Referenz auf die Normen ausgegeben. Der Vertrieb des Kunden verwendet diese Informationen bei den Verhandlungen über das Angebot mit dem Bauträger. Der Kunde spart dank des KI-Tools nicht nur Zeit und Aufwand bei der Analyse des Angebots ein, sondern vermeidet auch für ihn nachteilige Vertragsinhalte.
Fazit
KI-Agenten können in vielen verschiedenen Rollen eingesetzt werden. Dabei ist es wichtig, die KI auf ihre Aufgabe einzustellen und zu definieren, in welchem Umfang sie Fragen beantworten soll und welche Datengrundlage sie verwenden soll. In unserem Fall war das die Rolle eines österreichischen Rechtsanwalts, der österreichisches Recht, Unionsrecht und Industrienormen verwendet. Ein derart spezialisierter KI-Agent kann Mitarbeitern präzise und relevante Informationen liefern und so die Qualität ihrer Arbeit steigern.
Über den Autor:
Dipl.-Ing. Markus Nöbauer ist F&E-Verantwortlicher für Forschungsprojekte im Kontext von Business Software bei insideAx. Er hat an der Johannes Kepler Universität in Linz Informatik studiert und verfügt über zehn Jahre Erfahrung als Technology Consultant für Dynamics 365 ERP-Systeme. Er ist Autor mehrerer wissenschaftlicher Publikationen zum Thema Anforderungserhebung und Produktlinien sowie Projektleiter für mehrjährige internationale Forschungsprojekte.
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