André von de Finn, Regional Vice President Sales DACH bei OpenText ©OpenText
In Ländern wie beispielsweise Italien, Frankreich und Polen ist E-Invoicing bereits entweder Pflicht oder befindet sich aktuell in der Roll-out-Phase. In absehbarer Zeit werden weitere Länder folgen – auch Deutschland. Warum es sich allerdings lohnt, sich bereits heute mit E-Invoicing auseinanderzusetzen, verrät André von de Finn, Regional Vice President Sales DACH bei OpenText.
64 Prozent der Unternehmen stellen ihre Rechnungen noch immer auf Papier aus – so eine Studie von IDG und OpenText. Doch das dürfte bald der Vergangenheit angehören, denn die elektronische Rechnung kommt – und zwar verpflichtend. Im Dezember 2022 hat die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf für die Initiative VAT in the Digital Age (ViDA) vorgelegt. Ab dem 01. Januar 2028 werden die neuen Regelungen EU-weit eingeführt. Auch das Bundesfinanzministerium (BMF) hat einen Vorschlag zur Gesetzesänderung im April dieses Jahres zur Debatte gestellt, welcher den phasenweisen Roll-out ab 2025 ansetzt. Der Bundesrat hat nun allerdings dieses Vorhaben des BMF kommentiert und schlägt eine Verschiebung der Einführung auf den 01. Januar 2027 vor. Damit möchte der Bundesrat vor allem sicherstellen, dass die betroffenen Unternehmen genügend Zeit für die Einführung der elektronischen Rechnung haben. Ende November soll dem Bundestag eine geänderte Fassung des Gesetzes vorgelegt werden und erst dann kann der tatsächliche Termin zur Einführung beschlossen werden.
Der Druck auf Unternehmensseite steigt also langsamer als erwartet. Eines ist jedoch gewiss: der Stichtag, für die technischen Grundlagen zu sorgen, um den komplexen gesetzlichen E-Invoicing-Anforderungen zu entsprechen, wird kommen.
Das bedeuten die neuen Gesetze für Unternehmen
Im Rahmen des Gesetzes gilt grundsätzlich: Unternehmen dürfen inländische Rechnungen ausschließlich in elektronischer Form versenden und empfangen. Außerdem ist ein strukturiertes Format Pflicht – Papier und PDF-Dateien werden dann nicht mehr anerkannt. Dafür hat sich die Bundesregierung auf ein bundesweit einheitliches Meldesystem zur Erstellung, Überprüfung und Weiterleitung von Rechnungen geeinigt. In der ersten Phase des Roll-outs im Januar 2025/2028 soll E-Invoicing weiterhin „optional“ bleiben. Allerdings müssen Empfänger über die nötigen Mittel verfügen, um einen entsprechenden Beleg annehmen zu können. Ab 2026/2029 soll dann der Versand für Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 800.000 Euro verpflichtend sein; 2027 folgt die Pflicht für kleinere Unternehmen. Ab 2028/2030 ist der gesamte E-Invoicing-Prozess in Einklang mit den entsprechenden EU-Vorgaben zu bringen.
Auf diese Weise will der Gesetzgeber dem Mehrwertsteuerbetrug vorbeugen – einer der Hauptgründe, warum diese Entwicklung ins Rollen gebracht wurde. Sowohl die zugrundeliegende Architektur als auch der genaue Prozess sind für Deutschland allerdings noch nicht bekannt. Was jedoch bereits feststeht: Anders als in Italien wird die Bundesregierung dafür nach aktuellem Stand allerdings auf ein Clearance-Modell verzichten, bei dem die Finanzbehörden einen Prüfungs- bzw. Freigabeschritt vollziehen bevor der Beleg an den Empfänger übermittelt wird.
Mit diesen Anforderungen ergibt sich jedoch eine große Herausforderung. Für jedes Land gelten andere Spezifikationen, die umzusetzen sind. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass sich die Anforderungen der jeweiligen Länder regelmäßig ändern werden. Diese Änderungen können kurzfristig vorgenommen und eventuell lediglich in der Landessprache kommuniziert werden. Dennoch müssen Unternehmen diese umgehend umsetzen, da ansonsten Bußgelder drohen. Wer also sein Geschäft grenzüberschreitend betreibt, muss die länderspezifischen Entwicklungen im Auge behalten und schnell reagieren können.
Automatisierte Rechnungstellungsprozesse sorgen für den Seelenfrieden
Meldepflicht und Aktualitätsdruck machen die E-Rechnungstellung zu einer komplexen, aufwändigen Angelegenheit. Gleichzeitig bietet diese Herausforderung die Chance, Rechnungsprozesse weitestgehend zu automatisieren und damit Kosten zu reduzieren. Das macht eine ganzheitliche, zentralisierte E-Invoicing-Plattform zu einem absoluten Must-have. Die Vorteile ergeben sich sowohl auf Rechnungseingangs- als auch -ausgangsseite.
Wenn eine Rechnung eingeht, speist die E-Invoicing-Lösung alle wichtigen Informationen wie Rechnungsnummer, Rechnungsdatum, Brutto-/Netto-Wert der Rechnung usw. aus der Rechnung in das weiterverarbeitete System, ohne dass zusätzliche manuelle Eingriffe notwendig sind. Ein Scanning-, OCR- oder Validierungsschritt entfällt. Die per E-Invoicing bereitgestellten „perfekten“ Rechnungsdaten dienen dann als Grundlage sowohl für eine automatisierte Verbuchung und Freigabe der Rechnung (3-Wege-Matching) als auch die elektronische Archivierung. Daneben steht eine für den Menschen lesbare Visualisierung zur Verfügung.
Bevor eine ausgehende Rechnung ihren Empfänger erreicht, prüft eine E-Invoicing-Lösung nicht nur das Vorhandensein der Pflichtangaben, sondern konvertiert auch das Rechnungsformat entsprechend der Empfängeranforderungen. Das empfangende System kann dabei entweder ein Kundensystem und/oder eine staatliche Plattform sein. Auf der Gesetzesseite nimmt ein Full-Servie-Anbieter seinen Kunden die Arbeit ab: Dieser beschäftigt sich laufend mit den sich ändernden und erweiternden internationalen Gesetzesanforderungen, weist proaktiv auf Änderungen hin und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf. Abzuraten ist dabei für international tätige Unternehmen von einer Vielzahl lokaler „Insel-Lösungen“ – schließlich sollen sie nicht unzählige unterschiedliche technische Lösungen, Ansprechpartner, Service-Level, Verträge, Preismodelle und Prozesse parallel verwalten müssen, weil sie im Ausland sehr geschäftig sind.
Bislang automatisiert nur ein Bruchteil der Unternehmen seine elektronische Rechnungsstellung vollständig – laut IDG und OpenText sind das nur 40 Prozent aller weltweit befragten Unternehmen. Auch wenn es bis zur Umwandlung der EU-Direktive in lokales Recht noch einige Jahre hin sind, steht das neue E-Invoicing-Gesetz der Bundesregierung quasi vor der Tür. Das bedeutet, dass Unternehmen nicht untätig bleiben dürfen und sich auf diese Umstellung vorbereiten müssen.
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