V.l.n.r.: NEUROTEC-Koordinator Prof. Rainer Waser, FZJ-Vorstandsvorsitzende Prof. Astrid Lambrecht, RWTH-Rektor Prof. Ulrich Rüdiger, BMBF-Staatssekretärin Prof. Sabine Döring, MKW-NRW-Landesministerialrat Thorsten Menne, NeuroSys-Koordinator Prof. Max Lemme

Sie könnten der Schlüssel sein, um dem Energiehunger Künstlicher Intelligenz (KI) zu begegnen: neuroinspirierte Computerchips, die dem Vorbild des menschlichen Gehirns nachempfunden sind. Am Forschungszentrums Jülich und der RWTH Aachen University treiben Forschende die Technologie im Projekt NEUROTEC und dem Zukunftscluster NeuroSys maßgeblich voran. Beim heutigen Jülich-Aachen Neuromorphic Computing Day gaben die Wissenschaftler:innen gemeinsam mit Partnern von High-Tech-Unternehmen und Start-Ups den rund 200 Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik im Beisein von BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring einen Einblick in den aktuellen Stand der Entwicklungen.

 „Wir wollen den Strukturwandel im Rheinischen Revier durch Forschung und Innovation vorantreiben. So sorgen wir auch dafür, dass Wertschöpfung und Beschäftigung in den Regionen gehalten und gestärkt werden. Das Projekt NEUROTEC zeigt, wie dies gelingen kann: Durch den Aufbau eines starken Netzwerks aus Wissenschaft und Wirtschaft wird die Mikroelektronik der Zukunft vorangetrieben und der Transfer in die Unternehmen beschleunigt. Durch NEUROTEC und das Zukunftscluster NeuroSys soll der Großraum Aachen zu einem der führenden Standorte für europäische KI-Hardware werden. Denn Neuromorphe Chips, wie sie in NEUROTEC und NeuroSys entwickelt werden, können in Zukunft den Ressourcenaufwand für KI erheblich reduzieren. Ein erfolgreicher Strukturwandel kann allerdings nur gelingen, wenn wir auch den Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis schaffen. NEUROTEC und NeuroSys bieten hierfür optimale Bedingungen und somit für einen neuen, innovativen KI-Hub im Rheinischen Revier“, sagte die Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Prof. Sabine Döring zum Auftakt der Netzwerkveranstaltung im großen Hörsaal des Forschungszentrums Jülich.

Rechenzentren in Deutschland und weltweit benötigen seit Jahren immer mehr Strom. Der Einsatz von KI gilt als einer der Treiber dieser Entwicklung. ChatGPT und Co weisen zunehmend menschenähnliche Fähigkeiten auf. Doch die Rechner, auf denen die Anwendungen laufen, funktionieren ganz anders als ein biologisches Gehirn. Der Unterschied zeigt sich auch im Energieverbrauch: Superrechner benötigen für das Training künstlicher neuronaler Netze ähnlich viel Strom wie eine kleinere Stadt. Das menschliche Gehirn benötigt dagegen nicht mehr Energie als eine Glühbirne mit 25 Watt.

„Neuromorphe Systeme, die der Funktionsweise des Gehirns nachempfunden sind, versprechen, solche KI-Prozesse deutlich – um mehrere Größenordnungen – effizienter zu trainieren und betreiben als es mit herkömmlichen Digitalrechnern möglich ist“, erklärt Prof. Astrid Lambrecht, Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich. „Bei dieser Technologie handelt es sich um eine echte Schlüsselinnovation. Neuromorphes Computing ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld par excellence, dass sich ohne die Vernetzung von Neurowissenschaften, Physik, Elektronik, Informatik und Materialwissenschaften wie sie hier am Forschungszentrum Jülich und in Kollaboration mit unseren Partnern gelebt wird nicht entfalten könnte.  Mögliche Anwendungen reichen zum Beispiel von intelligenten Implantaten in der Medizin über Mustererkennung in Smartphones und anderen mobilen Geräten bis hin zum Einsatz von KI in der Industrie, Landwirtschaft und für das autonome Fahren.“

Das Forschungszentrum Jülich und die RWTH Aachen University gelten als weltweit führend, wenn es um die Erforschung memristiver Materialien und Bauteile geht. Diese stellen ein zentrales Element für den Bau eines neuromorphen Computers dar. Memristive Bauelemente können als künstliche Synapsen in neuronalen Netzwerken Informationen parallel speichern und verarbeiten.

NEUROTEC reicht jedoch über die reine Forschung hinaus. Im Zusammenspiel mit Hightech-Unternehmen in der Region wie dem Anlagenbauer AIXTRON, dem Messtechnik-Spezialisten aixACCT Systems GmbH sowie den Nanotechnologie-Unternehmen AMO GmbH und SURFACE systems+technology GmbH & Co. KG entsteht eine neuartige, umfassende Basistechnologie für neuromorphe KI und technologisches Know-How geht direkt aus der Forschung in die – vornehmlich regionale – Wirtschaft über. Das Verbundprojekt ging 2021 in die zweite Phase und wird vom BMBF für fünf Jahre mit 36 Millionen Euro aus Mitteln für den Strukturwandel gefördert.

 „Erste Ergebnisse kommen bereits in der nächsten Generation von Automobilelektronik auf den Markt. Dabei geht es um energiesparsame und schnelle ReRAM-Speicher von Infineon und TSMC, die Informationen permanent ohne kontinuierliche Stromversorgung speichern können. Diese wurden mithilfe von Test- und Programmierverfahren aus NEUROTEC optimiert“, erklärt NEUROTEC-Koordinator Prof. Rainer Waser vom Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen University.  

Auch das eigentliche Ziel des Projekts, die Realisierung erster neuromorpher Demo-Chips für den praktischen Einsatz kommt zusehends in Reichweite. „Mit Chips auf Basis der 180-nm-Halbleitertechnologie haben wir bereits umfangreich experimentiert und viele kleinere, wichtige Fortschritte gemacht. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, wie verlässlich diese neuartigen Bauteile mittels CMOS-Technologie hergestellt werden können, oder, ob sie auch nach vielen Schaltzyklen noch fehlerlos funktionieren“, berichtet Prof. Rainer Waser.  

Erste Entwürfe auf Basis der moderneren 28-nm-Technologie gingen Ende Mai in Taiwan in Produktion. Nach der Weiterverarbeitung und Bestückung mit memristiven Elementen aus der Jülich-Aachener Forschung sollen diese dann demnächst mit ersten realen Anwendungen getestet werden, beispielsweise mit Verfahren zur Routenoptimierung, Computervirensuche im Datenstrom oder künstlichen neuronalen Netzen auf Hardwareebene für Deep Learning.

Komplementär dazu arbeiten Forschende der RWTH Aachen University und des Forschungszentrums Jülichs im Zukunftscluster NeuroSys mit Unternehmen in der Region daran, weitere Markt- und Anwendungspotenziale zu erschließen.

 „Neuromorphic Computing wird zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für energieeffiziente KI-Anwendungen in der Sprach-, Bild- und Videoverarbeitung oder der Medizin eröffnen. Die RWTH denkt auch hier groß und bietet ihre geballte Erfahrung in der Translation von Forschungsergebnissen. Gemeinsam mit Verbänden wie der IHK Aachen oder der Zukunftsagentur Rheinisches Revier werden verschiedene Szenarien zur weiteren Entwicklung unseres Innovationsökosystems gedacht, bis hin zur Ansiedelung einer Fabrik für Computer-Chips ‚made in NRW‘“, erklärt Prof. Ulrich Rüdiger, Rektor der RWTH Aachen University.

Die Region um Aachen und Jülich hat auch so viel zu bieten. Neben den renommierten Forschungseinrichtungen sind dort HighTech-Unternehmen wie AIXTRON, aixACCT, Surface, Sympuls, X-Fab und ELMOS ansässig, die auf dem strategisch wichtigen Feld der Halbleiterindustrie aktiv sind, sowie Start-Up-Initiativen wie NEUREKA (RWTH) und AiML (FZJ), die beide von der SPRIND-Agentur im Rahmen der New Computing Concepts Challenge finanziert wurden, oder das Start-Up Black Semiconductor (AMO), welches am geplanten zweiten IPCEI Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien beteiligt ist.

 „Mit unserer Forschung spannen wir die gesamte Wertschöpfungskette auf, einschließlich soziologischen und ethischen Fragestellungen, die disruptive Technologien immer aufwerfen. Dadurch bieten sich auf vielen technologischen Ebenen Chancen für regionale Unternehmen und Startups, den Strukturwandel zu beschleunigen. Wir sehen bereits heute erste Effekte auf den Arbeitsmarkt und Unternehmensinvestitionen. Langfristig würde eine Halbleiter-Fertigung in der Region die vorhandene, umfassende und international anerkannte Expertise und Infrastruktur ideal ergänzen, und die Attraktivität der Region für die hervorragend ausgebildeten Köpfe aus dem Forschungszentrum und der RWTH noch einmal deutlich erhöhen“, sagt NeuroSys-Koordinator Prof. Max Lemme von der RWTH Aachen University und Geschäftsführer der AMO GmbH.

Mit dem Jülich Supercomputing Centre (JSC) am Forschungszentrum Jülich steht zudem ein idealer Entwicklungspartner bereit, um neuromorphe Module auf dem Gebiet des Höchstleistungsrechnens zu testen. Das JSC betreibt und entwickelt zusammen mit Industriepartnern modernste Superrechner der höchsten Leistungsstufe für die Forschung. 2024 geht dort der erste europäische Supercomputer der Exascale-Klasse an den Start.

https://www.fz-juelich.de/de/aktuelles/news/pressemitteilungen/2023/von-der-natur-inspiriert

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