Das Thema Unternehmenskultur wurde über viele Jahre als „weicher Faktor“ und damit als nicht erfolgskritisch bewertet. Verständlich, denn in den Unternehmen des Deutschen Mittelstands gab es stets andere Prioritäten: Wachstum und Internationalisierung, Steigerung der Effizienz und Produktivität, Verbesserung der Prozessleistung, Nachhaltigkeit… Was hat sich also geändert? Heute realisieren viele: eine offene und zukunftsorientierte Unternehmenskultur ist zur Voraussetzung für all das geworden, was Unternehmen hilft, die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Rolf Buchholz, Geschäftsführer bei der Transformationsberatung KEY VALUES bringt es auf den Punkt: „Kulturentwicklung ist Zukunftsgestaltung.“

Der Deutsche Mittelstand, dazu zählen immerhin 99,3% aller Unternehmen in Deutschland hat hier eine Schwäche zu lange ignoriert. Auch wenn ein Großteil der „Hidden Champions“ inzwischen gut aufgestellt ist – ein anderer Teil wird die Transformation nicht überleben, einfach weil die kulturellen Voraussetzungen für Veränderungen nicht vorliegen und auch nicht mehr kurzfristig zu schaffen sind.

Ein Beispiel: bisher wurden viele Aufgaben in oft singulär in den Bereichen und Abteilungen angegangen, ohne sie in den unternehmerischen Gesamtzusammenhang zu stellen. Eher im Sinne von „Fix the problem“. Das hat nicht selten dazu geführt, dass Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zu anderen Bereichen unterschätzt wurden, Zielkonflikte offengelegt wurden, Schnittstel-len nicht sauber organisiert wurden und die Frustration in der Belegschaft schneller war als jedes neue Leitbild der Unternehmensführung gestaltet werden konnte. Wenn jetzt unternehmensübergreifende Veränderungen hinzukommen – ein neues Geschäftsmodell, Digitalisierung, Lieferketten-Probleme, Verschlankung und neue Formen der Führung und Zusammenarbeit – sind konservative Unternehmen schnell überfordert.


Transformation und Anpassung an neue Realitäten
Die aktuellen Zwänge führen heute und in den nächsten Jahren zu tiefgreifenden und dauerhaften Veränderungen in mittelständischen Unternehmen, die auf Basis der „alten Kultur“ wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt umsetzbar sind. Wenn sich, wie in den letzten Jahren schon, zu viel zu schnell verändert, kann eine gewachsene Kultur mitunter nicht mehr mithalten. Die erforderliche Flexibilität fehlt ebenso wie ein offenes Mindset, Methodenkenntnisse und neue Fähigkeiten, nicht zu sprechen von Eigeninitiative und Identifikation der Belegschaft mit den Unternehmenszielen.

Kultur ist Gaspedal und Bremse zugleich – je nachdem, wie das Management tickt
Unternehmenslenker, die rechtzeitig eine offene und innovationsfördernde Unternehmenskultur geschaffen haben, profitieren heute von dem sich selbst befeuernden Prozess agiler Zusammenarbeit, motivierter Mitarbeiterinnen. Das erfordert Veränderungswille und Veränderungsfähigkeit. Fehlt eins von beiden, wird es schwierig und Unternehmen wie Belegschaft fallen schnell wieder zurück in alte Muster und Verhaltensweisen. Doch warum ist die Entwicklung der Unternehmenskultur so fundamental erfolgskritisch? Beispiel neue Arbeitswelt Die erfolgreiche Einführung agiler Arbeitsmethoden setzt voraus, dass diese über das Silodenken hinausgehen und Mitarbeiterinnen bereichsübergreifend zusammenarbeiten – im Sinne des Un-ternehmens. In konventionellen Machtkonstrukten einzelner Bereiche lässt sich das kaum umsetzen. Hier wartet die Belegschaft immer noch auf die Ansage vom Vorgesetzten, statt selbstorganisiert und selbstverantwortlich in interdisziplinären Teams proaktiv neue Lösungen zu entwickeln.

Beispiel Veränderungsfähigkeit
Der Veränderungswille des Managements setzt die Veränderungsfähigkeit der Belegschaft voraus. Doch nur wenn hier die erforderliche Haltung und Fähigkeiten vorliegen, kann auch die Umsetzung von Veränderungen gelingen. Die Haltung kann zum Beispiel dadurch verändert werden, indem die Unternehmensleitung den Veränderungsbedarf erklärt und die Belegschaft an den Zielen, Aufgaben und Maßnahmen teilhaben lässt. Dies ist leider in vielen Mittelstandsunternehmen (noch) nicht der Fall. Gleichzeitig ist aber die Fähigkeit zur Veränderung wegen neuer Herausforderung eine Voraussetzung für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.

Beispiel Fachkräftemangel
Im Wettbewerb um junge Talente treffen gut ausgebildete Bewerberinnen meist auf konventionelle Unternehmen. Oder anders ausgedrückt: wenn New-School-Bewerber auf Old-School-Unternehmen treffen, dann passt das selten. Junge Talente wollen gestalten, entscheiden und ihr erworbenes Wissen in die Praxis umsetzen. Weil das nicht möglich ist und eher „veraltete Unter-nehmensstrukturen und Arbeitsweisen“ vorgefunden werden, finden viele derartige Arbeitgeber einfach nicht attraktiv. Da hilft auch keine Employer Branding-Initiative. Beispiel demografischer Wandel In einigen Unternehmen werden Arbeitnehmerinnen in den Ruhestand verabschiedet und damit auch praktisches Wissen und essentielle Kompetenzen des Unternehmens. Dem kann durch einen Generationenplan entgegengewirkt werden. Hier können Alte von Jungen lernen und umgekehrt. In der Praxis werden diese Konzepte allerdings noch zu selten umgesetzt.

Beispiel lernende Organisation
Unternehmen, die in der heutigen Zeit nicht kontinuierlich dazulernen und in alten Mustern gefangen sind, werden zukünftig vom Markt verschwinden. Doch wie lernen Organisation als Kollektiv? Zum einen ist es erforderlich Arbeitsergebnisse bewerten zu können – was war gut, was ist verbesserungsfähig? Dazu ist es wiederum notwendig die Unternehmensleistung zu messen. Denn nur wenn Verbesserungspotenziale bekannt sind, können sie auch erschlossen werden. Hierzu gehören zum Beispiel Ziel- und Performance-Management, die in einem Großteil von Mittelstandsunternehmen noch nicht etabliert sind.

Eine Kultur-Revolution wäre wünschenswert – muss aber scheitern
Kulturen entwickeln sich nur langsam, das geht nicht über Nacht. Umso wichtiger ist es, frühzeitig damit zu beginnen, die Unternehmenskultur gezielt zu entwickeln und mit den aktuellen und zukünftigen Anforderungen abzugleichen. Dies ist in eine der zentralen Management-Aufgaben: die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit das Unternehmen erfolgreich ist und bleibt.

Doch wo Mitarbeiter*innen lange auf Anweisung gewartet haben, sollen sie jetzt plötzlich proaktive Lösungen erarbeiten? Das ist oft eine realitätsferne Erwartung. Vielmehr sollte im Sinne eines Kultur- und Zukunfts-Programms über die nächsten Jahre die Belegschaft eingebunden werden, um das Unternehmen auf Basis einer Vision neu auszurichten – eine Evolution also, keine Revolution. Die Einführung von Software-Tools ist dabei allenfalls eine Unterstützung aber kein Garant für eine bessere Zusammenarbeit.


Die Zukunft beginnt jetzt – denn was heute gestartet wird, kann in Zukunft wirksam werden

Nur wenn die kulturellen Voraussetzungen vorliegen bzw. geschaffen werden, sind die unternehmerischen Herausforderungen des Mittelstands zu bewältigen. Und: eine Verhaltensänderung setzt eine Einstellungsveränderung voraus. Somit hat das Management zunächst die Aufgabe zu erklären, WARUM, WAS im Unternehmen zukünftig verändert werden sollte. So kann einerseits eine breitenwirksame Akzeptanz in der Belegschaft erzeugt werden und gleichzeitig die Teilhabe der Mitarbeitenden an den zukünftigen Aufgaben von Anfang an sichergestellt werden

Dort wo interdisziplinäre Teams neue Werte schaffen, wo Zusammenarbeit und Führung auf Kompetenz basieren und nicht auf Hierarchie oder Macht, da bewegt sich etwas. Und das ist zwingend erforderlich, wenn „Made in Germany“ zukünftig noch eine Bedeutung haben soll.

KEY VALUES ist das führende Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen für wissensbasierte Transformation. Zu den Kunden zählen namhafte Unternehmen wie BAYER, Deutsche Bahn, MERCK, Lufthansa, tesa, wie auch zahlrei-che mittelständische Unternehmen wie zum Beispiel Biotest, Domo, Viga, BPW, Vitakraft, Carl Zeiss, Magna, Huber & Suhner, sowie einige Stadtwerke. www.key-values.com

Über den Autor: Rolf Buchholz ist Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der KEY VALUES GmbH & Co. KG in Hamburg.


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