© Mediaserver Hamburg/ThisIsJulia Photography

Mit Sensoren und KI soll das Forschungsprojekt SAMSON den Obstanbau an der Niederelbe in eine nachhaltige Zukunft führen

Das Alte Land, südlich der Niederelbe, zählt zu den größten Anbaugebieten für Obst in Europa. Rund 300.000 Tonnen Früchte reifen jährlich auf etwa 10.700 Hektar fruchtbaren Marschböden heran. Neben Kirschen, Pflaumen und Birnen dominieren mit mehr als 80 Prozent der Obstbäume Apfelsorten wie Elstar, Holsteiner Cox, Gala oder Boskoop. Die über Generationen von Obstbaufamilien gesammelten Erfahrungen reichen bis in das 14. Jahrhundert zurück. Um auch in Zukunft gute Erträge mit hoher Qualität bei möglichst geringem Verbrauch von Wasser, Energie und Pflanzenschutzmitteln zu erzielen, sollen nun Sensoren, künstliche Intelligenz (KI) und digitale Plattformen helfen.

Bundesförderung in Millionenhöhe für Digitalen Zwilling

„Mit Digitalen Zwillingen für Anbaubetriebe wollen wir im Rahmen des Projekts SAMSON eine nachhaltige und wirtschaftliche Obstproduktion unterstützen“, sagt Projektkoordinator Benjamin Schulze vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM), mit Standorten in Bremen und Stade. SAMSON steht für „Smarte Automatisierungssysteme und -services für den Obstanbau an der Niederelbe“ und sicherte sich Anfang 2023 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Fördergelder in der Höhe von knapp 2,8 Millionen Euro. Neben dem Fraunhofer IFAM beteiligen sich die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg), die Hochschule 21 in Buxtehude und die Technische Universität Hamburg an dem Modellprojekt für den Obstanbau der Zukunft.

Technologie als Chance in herausfordernden Zeiten

„Mit immer stärker schwankenden Umweltbedingungen, steigenden Temperaturen, Trockenheit oder einer möglichen Versalzung des Bodens im Zuge der Elbvertiefung haben wir heute eine Situation, mit der der klassische Obstbauer noch nie konfrontiert war“, sagt Schulze. Gerade bei sehr großen Anbauflächen seien diese Herausforderungen ohne digitale Unterstützung kaum noch zu händeln. Wie genau diese Unterstützung ausschauen könnte, soll ein erster Digitaler Zwilling einer Anbaufläche des Esteburg Obstbauzentrums in Jork zeigen. „Wir sehen in der Digitalisierung eine große Chance für den Obstanbau“, sagt der stellvertretende Leiter Dr. Matthias Görgens. Sein Zentrum stellt nicht nur eine erste Testfläche, sondern wird für die Verbreitung der SAMSON-Ergebnisse eine wichtige Rolle spielen. Denn es unterhält Kontakte zu rund 900 Obstanbaubetrieben in Norddeutschland, etwa die Hälfte davon im Alten Land. „Eine erste Informationsveranstaltung planen wir für August“, sagt Görgens.

Übergabe des Förderbescheids des Bundes an Vertreter:innen des Projekts SAMSON

© BMEL/Photothek (v. l. n. r.) Landwirtschaftsminister Cem Özdemir überreicht den Förderbescheid an A. Kammann (Hochschule 21), C. Böhlmann (Fraunhofer IFAM), Prof. Dr. T. Tiedemann (HAW Hamburg), J. Wei (TU Hamburg) und B. Schulze (Fraunhofer IFAM)

Analyse des Anbaus durch digitale Kopie der Obstplantagen im Alten Land

„Die Basis für einen Digitalen Zwilling ist die genaue Ortung jedes einzelnen Baums in einer Plantage“, sagt Schulze. Dazu schreiten die Forschenden von SAMSON mit einer Telekopstange, ausgestattet mit einer GPS-Ortung, durch die Baumreihen. Jede Wasserleitung und jeder Baum werden mit exakter Position in eine digitale Karte übertragen. Etwas erinnert dieser Digitale Zwilling an eine Siedlung oder Stadt, die in beliebten Strategie-Computerspielen angelegt werden können. Für Schulzes Team ist es der notwendige Rahmen, um das Wachsen der Bäume und das Reifen der Äpfel im Laufe des Jahres exakt beobachten und analysieren zu können.

Sensorbox verarbeitet Daten über jeden einzelnen Baum

Zum Sammeln der zahlreichen Daten wird derzeit eine Sensorbox entwickelt, die sich über eine herkömmliche 3-Punkt-Aufnahme von Schleppfahrzeugen aufnehmen lässt, über die jeder professionelle Obstbaubetrieb verfügt. „Von Recheneinheit, Akku, Kameras bis zu Sensoren für Temperatur, Luftfeuchte und Position steckt da alles drin“, sagt Schulze. Bei jeder der Dutzenden Fahrten pro Jahr durch die Baumreihen werden die Daten orts- und baumgenau gesammelt. Bilder werden sowohl im sichtbaren als auch infraroten Spektralbereich – der Wärmestrahlung – aufgenommen. „Unsere Aufgabe ist es, aus dieser Datenflut die wichtigen und nutzbaren Informationen zu filtern“, sagt Peer Stelldinger, HAW-Professor im Department Informatik mit den Schwerpunkten Bildverarbeitung und KI. „Künstliche Intelligenz wird uns sehr nützen, denn diese Systeme sind vor allem in der automatischen Erkennung von Mustern in großen Bildmengen sehr viel schneller als ein Mensch“, sagt Stelldinger. Allerdings muss die KI im Laufe des Projekts erst so gut trainiert werden, dass sich später in der Praxis aus der Daten- und Bilderflut flott zuverlässige Informationen über jeden einzelnen Baum abrufen lassen.

Visualisierung des Konzepts von SAMSON

© Fraunhofer IFAM Konzeptdarstellung von SAMSON

Digitaler Zwilling ermöglicht individuelle Baumpflege

Laut der Projektbeteiligten würden sich daraus viele Vorteile für die Obstbauern und -bäuerinnen ergeben. Ein Blick in die Datenbank des Digitalen Zwillings könnte ihnen etwa Anzahl und Dichte der Apfelblüten, Feuchtigkeit des Bodens, Anzeichen für Trockenheit oder Schädlingsbefall und schließlich auch Größe und Reifegrad der Früchte anzeigen. Daraus folgende Maßnahmen lassen sich dann gezielt für jeden einzelnen Baum ergreifen. „Dabei beachten wir besonders die sogenannte Alternanz“, sagt Schulze. Denn im Laufe der 15- bis 20-jährigen Nutzung eines Baumes schwanken beispielsweise die Anzahl von Blüten und damit Äpfeln von Jahr zu Jahr deutlich. Und je nach Zustand verlangt ein Baum eine individuelle Pflege, um gute Erträge bei hoher Qualität zu liefern.

Internationales Interesse an regionalem SAMSON-Projekt

„SAMSON ist ein sehr gutes und spannendes Projekt, dessen Ergebnisse nicht nur lokal und regional, sondern auch international von großem Interesse sind“, sagte Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, bei der Vergabe des Förderbescheids. Auch in anderen großen Obstanbaugebieten, wie die Bodenseeregion oder Südtirol, wird an einer Digitalisierung der Landwirtschaft gearbeitet. „Mit anderen Projekten tauschen wir natürlich unsere Erfahrungen aus“, sagt Schulze. Doch gerade SAMSON sei für das Alte Land wichtig, da jede Region ihre regionalen Besonderheiten habe. „Zudem wollen Obstbauer und -bäuerinnen direkte Ansprechpartner in der Region haben“, sagt Schulze und lädt jeden Obstanbaubetrieb ein, gemeinsam einen eigenen Digitalen Zwilling zu entwickeln und damit Teil des bis Ende 2025 laufenden SAMSON-Projekts zu werden.

Disclaimer:
„Für den oben stehenden Beitrag sowie für das angezeigte Bild- und Tonmaterial ist allein der jeweils angegebene Nutzer verantwortlich. Eine inhaltliche Kontrolle des Beitrags seitens der Seitenbetreiberin erfolgt weder vor noch nach der Veröffentlichung. Die Seitenbetreiberin macht sich den Inhalt insbesondere nicht zu eigen.“